06 Oktober 2005

Krieg Der Welten

Sagt mal, Leute, wisst Ihr eigentlich, wie man eine Sitcom dreht? Ich erlebe das gerade hautnah mit (nein, ich habe sie nicht geschrieben), also, ich erlebe das gerade hautnah mit, und ich sage Euch, Brüder und Schwestern: Die spinnen, die Griechen.



1. TAG

Lesung des frisch auswendig gelernten Texts (25 Seiten) Fernseh-Redakteur GRAUER WOLF (Lederjacke, Calvin-Klein-Look) macht einige Anmerkungen.
Proben mit Regisseur KOMPETENTER BÄR im Bühnenbild (Grosse Halle, darin ein ganzes Hotel, das sich zu einer Seite hin öffnet. Dort werden in 5 Tagen die Zuschauer sitzen). Am Abend sind fast alle Szenen durchgeprobt. (zum Vergleich: Etwa 20mal schneller als im Theater)

2. TAG

Restliche Proben.
Nach etwa 12 Stunden Arbeit: Erster vollständiger Durchlauf der gesamten Folge. Vor dem Mittagessen.
Bis zum Abend werden alle Szenen noch mal geprobt.

3. TAG

Durchlauf im kalten Probelicht und in Kostüm vor den Verantwortlichen: GRAUER WOLF, KOMPETENTER BÄR und Produzent DISKRETER DALMATINER; sowie natürlich den diversen Kostüm-, Masken- und Ausstattungsleuten.
Die Oligarchie zieht sich zur Beratung zurück und…
…erscheint wieder. WOLF in piefiges Schweigen gehüllt, BÄR seinen Schauspielern Mut zusprechend, DALMATINER diskret sowie kryptisch lächelnd.
Nach dem Mittagessen: Proben von vorn.

4. TAG

Plötzlich ist der Raum voll von Kamera-, Ton-, und Lichtleuten. Vier Kameras, zwei Kräne, um den Ton zu angeln. Jede Szene wird so gespielt und gedreht, dass sie live geschnitten werden kann. Nachmittags um 15:00 ist diese Arbeit getan. Das Filmteam eines Kinofilms hätte für diese Arbeit, zum Vergleich, etwa die 40fache Zeit benötigt.
Am Abend gibt es eine voll Aufnahme vollen Durchlauf in Kostüm, vor den üblichen Verdächtigen. In den letzten paar Stunden haben die Schauspieler gelernt:
- wann sie wie in welcher Kamera zu agieren haben
- wann sie zu "verzögern" haben, weil andere Vorgänge aufgenommen werden
- wo sie in der Totale und wann Close zu sehen sind; also wie gross für welche Kamera wann zu spielen haben.
Danach: Visionierung. Die Schauspieler sehen sich mit KOMPETENTER BÄR die Sitcom auf dem Flatscreen an und merken sich, wo sie zu früh oder zu spät sind, wo sie zu gross oder zu klein spielen.

5. TAG

Alle Szenen werden mit allen Technikern und Schauspielern noch einmal durchgestellt und durchgeprobt. Das geht, wenn man Glück hat, bis 19 Uhr. 20 Uhr: Aufzeichnung vor den Zuschauern.

WOCHENENDE

Schauspieler lernen am Wochenende den Text für die nächste Folge.

Gesamtdauer der ersten Staffel: 17 Wochen.

Leute, Leute. Hier ein Bekenntinis: Ich bin, zugegeben, stolz darauf, dass ich so kinolastig unterwegs bin. Aber heute, heute mache ich eine Flasche auf für jeden einzelnen von diesen Sitcom-Playern.

Sie sind unglaublich. Mögen sie lange leben!

5 Kommentare:

Mone hat gesagt…

Hut ab vor den Sitcom-Playern kann Frau da bloß sagen, da seh ich wieder mal, wie gut's mir doch eigentlich geht :-)

Anonym hat gesagt…

Was heisst "Kinolastig", Herr Prof. Dr. Melville? Outing!

Klingt hart. Deshalb werde ich ja auch Samstag-Abend-Unterhaltungsshow-Moderator.

Melville hat gesagt…

@prof. dr. mc winkel: Jep, hart. - Kinolastig heisst, ich beziehe mich mit meiner Arbeit hauptsächlich auf das Medium Kino. Aber outing wäre nicht lustig, auch für Sie nicht, Doktor, weil ich dann nicht mehr so frei von der Leber schreiben könnte. Es lebe die verschattete Identität!
@dielux: Lüxchen. Wie schön, dich so gut in Form zu sehen.

Melville hat gesagt…

@prof. dr. mc winkel: PS: Wäre mir eine Freude, dich als Moderator zu sehen. Wär mal ein Grund, am Samstag vor der Kiste zu hocken.

Anonym hat gesagt…

Sagen Sie das den Leuten vom ZDF, Herr Melville.

Lüxchen, wie groß soll ICH den noch werden? Sie wissen doch selbst; damit ein Ereignis Größe habe, muß zweierlei zusammenkommen: der große Sinn derer, die es vollbringen, und der große Sinn derer, die es erleben. I´m every man.