24 September 2006

Von orangen Katzen

Da ist zum Beispiel das junge Fräulein N., mit der ich gerade häufig zu tun habe, und die so schrecklich viel über sich nachdenkt. Über sich und den Rest der Welt.

Alles ist schwierig. Jeder Schritt führt auf dünnes Eis. Jeder Ast kann brechen. - So ist das Herz von Fräulein N. stets in Aufruhr, ihre Stirn stets in Falten, ihre Neugier stets durchzogen.

Und sie erinnert mich an eine Katze, die ich in Griechenland kennengelernt habe. Die Katze, müsst ihr wissen, war orange und wild. Einmal am Tag zeigte sie sich auf der Terasse und wurde von mir gefüttert. Danach schnurrte sie und wollte gestreichelt werden. Wenn ich aber die Hand nach ihr austreckte, sprang sie panisch auf eine Mauer und sah mich entsetzt an.

"Die orange Katze ist doof", dachte ich zuerst. Und es verletzte mich, dass sie mir nicht vertraute.

Denn, Kollegen, ich kenne andere Katzen, und ihr auch. Solche, die's voll drauf haben. Auch dort, auf der Terasse, gab's die. Katzen, mit denen der reibungslose Umgang voll gewährleistet ist.

Aber jetzt, wisst ihr was: Von allen Katzen war mir am Ende die orange am nächsten. Weil, ja: Warum eigentlich? Alles war schwierig. Jeder Schritt führte auf dünnes Eis.

Womit wir jetzt wieder bei Fräulein N. wären.

21 September 2006

Potemkins süssestes Versprechen

Als ich ein kleiner Junge war, stand ich oft in meinem orangen Pyjama am Fenster, und mein Herz platzte vor Sehnsucht und Abenteuerlust. Ich sah über das Dorf hinweg zum Wald und fragte mich, was wohl dahinter sein könnte.

In Frage kam Folgendes:

1. der Wilde Westen
2. Ein Königreich mit Rittern, Drachen und Blumenwiesen.
3. Ein verschlungenes, tiefes Höhlensystem, das von gefährlichen, aber auch interessanten Wesen bewohnt wurde.
4. der Weltraum (inklusive Ufos, Astraunauten und Sternenkrieg)
5. die Bevölkerungsexplosion, von der ich damals schon gehört hatte und die ich mir als eine riesige Welle aus Menschen vorstellte, die auf mich zurollt.

Aber auf die Idee, dass hinter dem Wald das Nachbardorf liegen könnte, kam ich nicht.

Und soll ich euch mal was sagen, Matrosen? Ich hab mich nicht geändert.

11 September 2006

Faszination und Erleichterung: Nine Eleven

9. 11. 2001

Zürich, Theater, Probebühne 1

Stand der Dinge: Francis Fukuyamas Ende der Geschichte beherrscht die Bestsellerlisten und beschreibt das globale Lebensgefühl des Stillstands. Kaum im neuen Jahrtausend, ist es bereits unerträglich stickig geworden.

Plötzlich steht eine Frau mit tellergrossen Augen in der Tür und stottert.

Dann werde auch ich - wie der Rest der Welt - Zeuge des digitalen Loops: Flugzeuge, Feuer, Türme, fallende Menschen. Und nocheinmal. Für alle, die es immer noch nicht fassen wollen.

Aber, in mir - neben den handelsüblichen Gefühlen - auch noch das: Faszination. Für die unwiderstehliche Macht eines Vorgangs, der mit einem Mal, innerhalb weniger Minuten, alles für immer ändert.

Und ja, Erleichterung. Jene seltsame Art der Erleichterung, die mit dem Untergang des Grossen und Unzerstörbaren immer einhergeht und die zu leugnen reine Heuchelei wäre.

Endlich hat jemand das Fenster aufgemacht, denke ich.

Von Francis Fukuyama spricht heute niemand mehr.

08 September 2006

Dein Kitzler in meinem Mund

Also was, sagst du, Melville, du Fotze, wo bleiben die Texte?

Wo bleiben die Texte, die sind wie grosse, geheimnissvolle Landschaften; die Texte, die sind wie Pfeile aus Gift und Sperma, die die Mitte meines Herzens zielsicherer treffen als amerikanische Lenkwaffen eine Schar unschuldiger Kinder?


Tja, sage ich, küss dich selbst, Bruderherz, ich schreibe ja, ich arbeite ja! Nur, Pech gehabt, Sweetheart, zuviel, um es gerade dir auch noch so galaktisch besorgen zu können, wie du's verdienst.

Denn wenn ich deinen Kitzler schon in den Mund nehme, dann verdammt: Tu ich's auch richtig. N'est-ce pas?