Im Rahmen meiner blogtechnischen Wiederauferstehung werde ich hier von Zeit zu Zeit einen der für Fooligan verfassten Blogtexte nachführen, die nicht mehr online sind. Heute:
GOAL!
"Einige Leute halten Fussball für einen Kampf auf Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, dass es weit ernster ist."
Bill Shankley, Coach
Die drei Männer waren plötzlich da; wie grosse Tropfen aus schwarzer Tinte hatten sie sich aus dem Schatten der Nacht gelöst und standen jetzt vor ihm. Es hatte geregnet, aber es war immer noch warm, und der Boden dampfte unter ihren Schuhen.
„Hey!“.
Der junge Mann, der leicht schwankend neben seinem Wagen stand und gerade seinen Schlüsselbund aus der Tasche nestelte, sah auf.
Er kannte die Männer nicht. Egal. Er hatte getrunken, er hatte getanzt, und das Leben lag vor ihm wie ein weiter, duftender Garten.
„Hey“, sagte er und seine weissen Zähne blitzen in der Nacht wie kleine Zuckerstücke. - „Was liegt an?“
Die drei Schatten rührten sich nicht. - „Oh, wir wollen uns bedanken.“
„Bedanken?“ Der junge Mann lachte. „Bedanken wofür?“
„Für das Tor.“
Die Zähne des jungen Mannes hörten auf, zu blitzen. Plötzlich lag etwas Anderes in der Luft. Etwas, dass sich über den Geruch des feuchten Teers und den Duft der blühenden Hyazinthen gelegt hatte. Etwas Gefährliches. Kleine Schweissperlen bildeten sich auf seiner Oberlippe.
Andres Escobar wusste natürlich, welches Tor sie meinten.
Kolumbien war der grosse Geheimfavorit der Weltmeisterschaft 94 gewesen. Die Mannschaft war ein Traum, und ihr märchenhaftes Kurzpass-Spiel trieb jedem, der es sah, Tränen göttlicher Rührung in die Augen. In der Qualifikation hatte man Argentinien mit 5:0 vom Platz getanzt, und das ganze Land richtete seine Augen nun auf das entscheidende Vorrunden-Spiel gegen die USA. Ganz Kolumbien freute sich auf den triumphalen Sieg über die plumpen Gringos. Die nationale Drogenmafia hatte schwindelerregende Summen auf Sieg gesetzt und für den undenkbaren Fall einer Niederlage vorsorglich bei Trainer Maturana und einigen Spielern massive Morddrohungen deponiert.
Am 23. Juni 1994 um 16:35 grätschte Andres Escobar in einen harmlosen Querpass und lenkte den Ball ins eigene Tor. In der Folge verlor Kolumbien gegen Underdog USA mit 2:1 und schied aus dem Turnier aus.
Die Medien im eigenen Land waren über die Mannschaft erbarmungslos hergefallen. Bei ihrer Heimkehr waren die Spieler von ihren Landsleuten beschimpft und bespuckt worden. Und auf Escobar, der das einzige Eigentor der Vorrunde geschossen hatte, hatten es alle natürlich ganz besonders abgesehen.
Aber jetzt war es spät, und Andres Escobar wollte nach Hause. Er hatte getrunken, er hatte getanzt, und das Leben lag vor ihm wie ein weiter, duftender Garten.
Er drehte sich um und schloss seinen Wagen auf.
Am 2. Juli 1994 um halb vier Uhr nachts wurde Andres Escobar vor einer Bar in Medellin von drei unbekannten Schützen exekutiert. Die Täter gaben insgesamt 12 Schüsse auf ihn ab. Nach jeder Kugel, die den Fussballer traf, johlten sie auf und brüllten: „Goal!“
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3 Kommentare:
Oh. Immer wieder beeindruckend, der Text. Willkommen zurück!
Wo hast du denn deine Fooligan-Texte her, wenn man fragen darf? Lokale Kopie? Meine eigenen habe ich nämlich nicht mehr.
//mo, schön, wieder da zu sein. Deine folligan-Texte findest du über das Internet-Archiv:
http://web.archive.org/web/20080822133130/http://www.fooligan.de/
Cheers m8!
"Some people believe football is a matter of life and death, I am very disappointed with that attitude. I can assure you it is much, much more important than that."
and Shankly..not only a couch, more a philosopher.. dear old Liverpool
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