16 Januar 2007

Flaches Wasser

Heute im Café um die Ecke:

FRAU NEBEN MIR: Ein flaches Wasser.
KELLNER: Was?
FRAU NEBEN MIR: Ein flaches Wasser.

Der Kellner und ich sehen uns an.

KELLNER: (zur Frau neben mir) Mit oder ohne Kohlensäure?
FRAU NEBEN MIR: Ein flaches Wasser!

Fand ich irgendwie amüsant genug, um folgenden schlechten Dialog zu rechtfertigen:

FADE IN:

INT. - KÜHLREGAL - TAG

STEHENDES WASSER, FLACHES WASSER, HARTES WASSER und STILLES WASSER unterhalten sich.

FLACHES WASSER: …da hab ich zu ihr gesagt, naja, so oder so: Es ist, wie es ist. - Oder etwa nicht, stilles Wasser?

Stilles Wasser schweigt.

HARTES WASSER: Warum hast du sie nicht einfach an den Stuhl gefesselt und durchgevögelt?
FLACHES WASSER: Durchgevögelt, hi, hi, der ist gut, das ist gut, das ist umgangssprachlich!
STEHENDES WASSER: Ich hätte sie durchgevögelt.
HARTES WASSER: Yeah, nomen est omen, stehendes Wasser.
STEHENDES WASSER: Aber wozu der Stuhl?
FLACHES WASSER: Hihi, stehendes Wasser fragt: Wozu der Stuhl? Versteht ihr? Stehendes Wasser - Stuhl? Hihi!
STEHENDES WASSER: Was ist daran komisch?
HARTES WASSER: Nichts, stehendes Wasser. Setz dich.

Alle LACHEN. Die COCA-COLA kommt.

COCA-COLA: Heil, Hitler!

Stille.

FLACHES WASSER: Ups, ein Engel geht durch den Raum! Hihi!

Stille.

STEHENDES WASSER: Was ist denn mit der Limo los?
HARTES WASSER: Ignoriert ihn. War schon immer ein Brauner.
STEHENDES WASSER: Und wie gings dann weiter mit der Kleinen, flaches Wasser?
FLACHES WASSER: Naja. Wir haben lange geredet. Also, ich.
HARTES WASSER: Kann ich mir vorstellen.
FLACHES WASSER: Aber, hihi: Offensichtlich war ich nicht ihr Typ.
HARTES WASSER: Wer hätte das gedacht?
FLACHES WASSER: Dann kam stilles Wasser und hat sie durchgevögelt, bis sie verdunstet ist.

Alle sehen stilles Wasser an.

HARTES WASSER: Und ich frag mich noch die ganze Zeit, seit wann sie PERRIER ohne Kohlensäure herstellen.

FADE OUT.

03 Januar 2007

Der Soldat

Macht das Licht aus. Schliesst die Augen. Denn im Dunkeln beginnen die Gedanken sanft zu schimmern und gehen ihren eigenen Gang.

Seht ihr den Soldaten? Es ist Nacht, und er schleicht durch den Wald. Er hat den Anschluss an seinen Haufen verloren, und jetzt brennt sich das Weisse seiner Augen ängstlich durch die Dunkelheit, denn die Welt um ihn ist ein einziger gefährlicher Schatten: Raschelnd, flüsternd, wartend. Oft verharrt er minutenlang bewegungslos und lauscht, bevor er weitergeht.

So schiebt sich der Soldat durch das raunende Nichts und verschmilzt mit der Nacht. Manchmal, wenn er mit äusserster Vorsicht einen Zweig beiseite drückt, erreicht ihn ein Geruch von Blatt und altem Holz. Oder ein flüchtiger Gedanke streift ihn und verschwindet geräuschlos in der Dunkelheit. Wie lange er schon so geht, weiss er nicht. Und als er es plötzlich sieht, direkt vor ihm, durch die Zweige schimmernd wie ein entfernter Stern, wischt er sich ungläubig die Augen. Denn Hoffnung ist ein Gift, das er sich jetzt nicht leisten kann. Aber das Licht ist da, und mit ihm die Gewissheit, dass er es geschafft hat.

Die Schwere der Nacht fällt vom Soldaten ab, und sein nächster Schritt ist entschlossen und schnell.

Unter seinem Fuss macht etwas: KLICK.

Dann ist es wieder still und nur der Wald, der sich im Nachtwind räkelt, und nur das trockene Laub, das knistert. Irgendwo nagt ein Waldtier an einer Rinde, und die Wolken kreuzen still das Mondlicht, als wäre nichts geschehen.

Aber den Soldaten verwandelt das leise Geräusch in ein Meer aus Bewegungslosigkeit. Alles in ihm bleibt stehen und wird still, so still wie die Bombe, die unter seinem Fuss schläft, und die er nicht wecken darf. Er rührt sich nicht. Er atmet nicht. Er blinzelt nicht. Wozu auch? Nichts bleibt ihm mehr zu tun. Nichts, als zu stehen, und stehen zu bleiben.

So streicht die Zeit durch den Wald und über das Gesicht des Soldaten. Aber in ihm ist auch sie stehen geblieben, wie er selbst, und hat ihr Ende erreicht. Das kleine Geräusch hat eine Lücke aufgetan, eine kleine Lücke zwischen Leben und Tod, und ihn hineingesetzt wie einen Zinnsoldaten. Hier steht er, und hier wird er immer stehen. Wie die Bäume und die Schatten um ihn herum.

Und so wird der Soldat ein Teil des Waldes, des Flüsterns und des Raschelns. Er blickt in das Licht, das durch die Zweige funkelt. Für ihn genauso fern wie jeder andere Stern am Himmel auch.

Der Soldat schliesst die Augen. Im Dunkeln beginnen seine Gedanken sanft zu schimmern und gehen ihren eigenen Gang.