Nichts gegen Melancholiker. Im Gegenteil.
Aber ihre Blogs?
Die Gedichte über treibende Gedanken und faule Äste, die Fotos von leeren Strassen und gepiercten Lippen, die assoziativ verknotete Prosa voll feuchter Landschaften, verwaisten Spielplätzen, dräuender Selbstverstümmelung und nekrophiler Wortsymbolik? Fluss, Schlaf, Erde, Blut?
Vielleicht ist Melancholie nicht die ideale Schreibunterlage. Zu schwer zieht die Scholle an der blutleeren Hand.
Denn, jetzt mal ehrlich: Wozu schreiben, wenn man auch sterben könnte?
So hat sich der Melville das gedacht, bis er heute Abend unvermittelt selbst von akuter Melancholie ergriffen wird. Hey, einfach so. Ihm geht's gut. Und, vor allem: Fräulein N. auch.
Trotzdem ist er traurig. Schwer wie ein Bordeaux, den Robespierre selbst noch eigenhändig im lehmigen Keller versteckt hat, bevor man ihm den Kopf vom blutenden… - Aber, ich schweife ab.
Also, denkt sich der Melville, ein Selbstversuch könnte nicht schaden. Mal den ganzen professionellen Heulsusen zeigen, wie man auf Schwermut so richtig die Tasten zum Singen bringt.
Was dabei herauskommt, ist:
Ich kann nicht zaubern. Ich kann nur gehen, bis meine Knie brechen. - Ich kann nicht gut sein. Aber ich kann meine Arme ausbreiten, bis sie zu Staub zerfallen.
Das unterbietet wirklich alles. Eine Katastrophe. Jetzt weiss ich, warum die Melancholiker andauernd an Selbstmord denken.
Ich dachte einfach, ich legs mal auf den Tisch. Was für einen Quatsch der Melville manchmal fabriziert. Unredigiert. Um mich zu bestrafen.
Ich geh mich mal in die Ecke stellen. Vielleicht auch sterben. Jedenfalls, wenn der gütige dunkle Fluss aus Blut ein Einsehen hat und mir den erlösenden Schlaf schenkt, den ich nach so einem Text mit Sicherheit verdiene.
Schalom!
17 November 2006
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
19 Kommentare:
ich finde gedichte, die aus melancholie entstehen, sehr viel ansprechender als den kitsch, den glückliche dichterinnen produzieren.
"das ist die sehnsucht: wohnen im gewoge
und keine heimat haben in der zeit."
(heinrich heine)
ach je. mein weinerlichstes organ hat schon weitaus schlimmeres verbrochen (aber ich leg' sowas nicht auf den tisch). da sind wir frauleuts euch einfach überlegen, im heulsusen. deswegen ja auch 'heulsusen' und nicht 'heulhelmuts' oder heululrichs'.
'heulrichs' find ich ganz gut.
"aber ich kann meine arme ausbreiten, bis sie zu Staub zerfallen."
das ist aber schöööön! und erinnert an seelischen knochenschwund. oder überhaupt an knochenschwund.
stimmt, heulrich ist prima. und ab damit in den wortspeicher. merci.
wie leuchtkind sagte oben.
außerdem, wenn ich ehrlich bin, sich lustig machen über schwermütige menschen und ihre blogs, finde ich nicht besonders prickelnd.
für die sind ihre eigenen fotos mit leeren straßen und ihre eigenen noch so verknoteten texte sehr wichtig und oft einer therapie gleich, weil sie kein anderes ventil haben.
sowas sollte man vielleicht nicht vergessen, auch in zeiten, wenn man selbst so subba glücklich ist.
ja, mr. melville, so sehr ich ihre schreibe schätze, sie sehen mich hier meine stirn runzeln. }:-/
In solchen depressiven Phasen würd ich mich auch lieber vor die Wand stellen und den Kopf dagegen schlagen. Nur haben die Nachbarn da was dagegen. Also setzt man sich ans Tastenbrett und schreibt sich seinen Frust von der Seele, egal wie schmalzig oder schwachsinnig das wird.
"Wenn Liebe blind macht
und Schmerz taub,
dann weiss ich jetzt,
warum ich orientierungslos
durchs Leben stolpere"
Ja, sowas kommt einem in den Sinn, wenn man sich mal wieder einen Korb eingefangen hat.
aber, pünktchen, glätten sie ihre stirn. denn, erstens, sich lustig machen tut man entweder über alles und jeden oder dann über nichts, und zweitens, wenn ich mich lauthals über irgendjemanden lustig mache in obigem artikel, dann an erster stelle über mich selbst. und drittens ist "political correctness" lebensnotwendig für politiker, aber der tod für den schreiberling.
ausserdem gäbe es ohne melancholiker weder die "doors" noch das lametta, noch die atombombe.
und hi, leuchtkind, aber heine war doch kein melancholiker?
und robert, mein mitgefühl. wenn das so weiter geht, gründen wir die anonymen melancholiker.:)
Mmh, also ich muss sagen, bei mir kommt immer was besseres raus, wenn ich irgendwie in depressiver, melancholischer Verfassung bin. Aber wenn es mir gut geht und ich lese den "Schund" anderer, da muss ich mir immer an den Kopf packen und kapiere einfach überhaupt nichts. Zwei Tage später kann es sein, dass ich selbst wieder irgendwas melancholisches, unverständliches schreibe.
Man sollte da großzügig mit umgehen, aber - an alle Melancholiker da draußen - vielleicht der Abwechslung zuliebe auch mal über den Besuch in einer Bar, über Sex oder über eine schöne grüne Blumenwiese bloggen. Sonst bekommt man Mitleid mit euch, möchte euch retten, euch über den Kopf streicheln und mitheulen.
patsy jones, sie bringens mal wieder auf den punkt.
Es gibt schlimmeres als Melancholie, mein Guter. Jeder, der schon mal zusammen mit einem Versicherungsvertreter in einem Aufzug steckengeblieben ist, kann das bestätigen.
Kopf hoch ;)
Jaja Herr Melville. Das Leuchtpünktchen läßt nicht alles durchgehen. Ich will damit sagen, Sie können hier nicht machen was Sie wollen. Ich weiß wovon ich rede. Ich habe für den einen oder andere (guten!) Scherz auch schon eins übergebraten bekommen.
Dabei haben meine Forschungen doch folgendes ergeben:
Zu der Zeit, als es noch keine Blogs oder das www gab, war die Selbstmordrate von überzeugten Melancholikern auch nicht höher als heute.
Das Lichtpixelchen hat also also nicht einmal Recht. Das auf die Fresse tut aber trotzdem weh.
Sehen Sie es melancholisch mit einem "das musste ja so kommen...". Obwohl, das ist ja schon depressiv. Gibts da einen Unterschied? Ja. Melancholisch scheint mir poetischer.
Auch genannt: "Emo" :)
Die traurigen Texte sind doch die besten, wenn gut. Und die schlimmsten, wenn schlecht. Was gut und schlecht ist, mag dann subjektiv sein (ist ja wohl alles sujektiv).
Man nehme - von den vielen - zum Beispiel Philip Roth (The Human Stain): "Nothing lasts, and yet nothing passes, either. And nothing passes just because nothing lasts."
Geile Leprapyrik. Obwohl, ich lese Sie so oder so.
Die Zeiten, da ich melancholische Gedichte verfasst hab sind mit dem Erreichen der Adoleszenz bei mir vorbei. Inzwischen reizt es mich eher kreativen Blödsinn und bisweilen schwarzen Humor in Reime zu fassen. Ganz im Sinne von Ringelnatz und Heinz Erhardt. :-)
Melancholie und Depression sind doch zwei paar Schuh.
Und Herbstgefuehl im Schreiben ist ein Narkotikum.
Ich hoffe, ich zaehle nicht als Heulsusenblog, wenn auch vielleicht qualifiziert.
melancholie ist eigentlich etwas schönes, sie kann traurig und angenehm sein.
mit depression hat sie nicht viel zu tun, wobei ich mich da medizinisch nicht auskenne.
melancholie, die wirkliche, kommt und geht,
sie kann erscheinen, wenn man gerade vor 2 minuten noch glücklich war
sie kann einen vor (un)glück weinen lassen
sie berührt dein inneres, ohne unbedingt in inadäquaten gedichten ausdruck zu finden
melancholie ist unheilbar und sollte es auch nicht sein...
die, die von ihr befallen sind verstehen mich sicherlich...
liebe grüsse
sehr intiresno, danke
Kommentar veröffentlichen