Also gut, ich kann es nicht lassen und nehme hiermit an Sebas' offiziellem Aufruf zum Worst Blowjob Ever Contest teil:Es ist mir ein Rätsel. Die ganze Geschichte ist mir bis heute ein Rätsel. Wie kann eine Frau, und sei sie noch so professionell, zu sprechen versuchen, während sie gleichzeitig mein Ding im Mund hat?
Also: Ich bin jung, blauäugig, meine Freundin ist gerade dabei, sich eine Flugstunde entfernt in einen serbischen Regisseur zu verlieben und ich bin so richtig scharf auf wilde, schweinische Sachen. Erfahrung mit Prostituierten habe ich noch keine, jedenfalls keine reale. In meiner Phantasie bin ich aber schon ganz gut unterwegs und finde, es ist an der Zeit, den Dingen ins Auge zu sehen. Ich fühle mich stark, potent und unwiderstehlich.
Mit anderen Worten: Ich bin ein Idiot. Der passende Anlass, es auch zu beweisen, offenbart sich mir in einem Inserat, das eine sowohl fernöstliche als auch erotische Schaummassage anbietet. Eingeölte und zugeschäumte Asiatinnen, stromlinienförmig und glitschig. Das, denke ich, ist doch eine lohnende Aussicht.
Gut. Ich hole also tief Luft, rauche ein Päckchen Zigaretten und drücke eine rote Klingel an einer roten Tür. Ich bin zu allem entschlossen; meine wildesten, verborgensten und intimsten Fantasien sollen heute wahr werden:
Wilder Sex mit Fremden.Die Tür geht auf.
Wilder Sex mit Fremden.Eine ASIATIN erscheint im Türrahmen.
Wilder Sex mit Frem…Die Frau ist etwa Mitte 40, mit einem Gesicht, das ganz offensichtlich schon zu viel gesehen hat. Und das ist ein Problem. Bevor ich nämlich überhaupt mit dem Ohr zucken kann, beginnen die Linien, Furchen und Kerbchen in ihrem Gesicht zu mir zu sprechen. Das ganze Gesicht beginnt, mit mir zu sprechen: „Mein Leben ist Dreck“, sagt das Gesicht, „ich bin unendlich weit entfernt von meinem Land, von meiner Familie, von meinen fünf Kindern, die ich seit drei Jahren nicht mehr gesehen habe. Ich schicke ihnen Geld nach Hause, aber ich habe Angst, sie zu sehen, weil ich mich schäme. Ich stehe von oben bis unten im Schmutz, im Sperma und im Urin. Ich bin tot, und wenn wir fertig sind, du und ich, bin ich noch ein bisschen toter.“
Wilder Sex mit…Verdammt. So genau will ich das gar nicht wissen, Gesicht.
„Wolle komme inn?“, fragt das Gesicht jetzt, während meine Phantasie in kleine Stückchen zerspringt. Mechanisch schiebe ich mich an ihr vorbei, dann geht sie voran, bleibt im Flur vor zwei Türen stehen, links eine, rechts eine, und fragt: „Wolle Hrmblabla oder Guthpftata?“
Tja, gute Frage.
Ich bin bereits zu fertig, um nachzufragen. "Hrmblabla.“, sage ich. Keine Ahnung, was ich da sage, aber ich versuche, so auszusehen, als ob ich das Wort erfunden hätte. Nichts in ihrem Gesicht sagt mir, ob meine Entscheidung die richtige war, mechanisch weist sie auf die linke Tür.
Dahinter befindet sich ein Zimmer mit einem Bett und einem Nachttischchen. Letzteres ist dazu da, um 150 Eier draufzulegen. „Ziehe aus, lege Bauch“, sagt sie und verschwindet. Ich sehe mich um. Nach Schaummassage sieht das nicht aus. Ich hätte Guthpftata nehmen sollen. Ach was, ich hätte gar nicht herkommen sollen.
Ich lege mich nackt auf den Schaumgummibezug des Betts. Die Frau mit dem sprechenden Gesicht kommt zurück. Ich liege gehorsam auf dem Bauch, also sehe ich sie nicht. Irgendetwas raschelt - ihr Bademantel, vermutlich -, dann sitzt sie auf mir. Ich hätte gar nicht herkommen dürfen. Offenbar ist sie jetzt nackt. Und dann…
…massiert sie mir den Rücken. Ausgiebig. So wie im Schwimmbad. Und ich: Bin erleichtert, glücklich, dass alles so eine gute Wendung genommen hat, eine Massage hab ich mir hier eingekauft; die Frau mit dem sprechenden Gesicht muss meinetwegen nicht noch tiefer in den Schmutz waten; in die stinkende Suppe aus menschlichen Ausscheidungen, um ihre kranken Kinder in Bangkok zu ernähren. So geht das eine Weile, und ich entspanne mich…
Dann spricht sie wieder: „Drehe um!“. Ende der Entspannung. Also, der Kelch wird uns doch noch an den Mund gepresst, ihr und mir. Ihr vor allem.
Ich drehe mich um. Die Frau mit dem sprechenden Gesicht sieht mich mit leeren Augen an. Dann nimmt Sie ein Papiertaschentuch vom Nachttischen, faltet es säuberlich auf und… legt es mir auf den Bauch.
Was auch immer ich ausscheiden werde, es wird in der Serviette landen. Es ist wie beim Zahnarzt. Ein Lätzchen. Einfach etwas weiter unten.
Jetzt bin ich also beim Zahnarzt, und die Assistentin massiert mir das Zahnfleisch. Das geht so eine Weile, dann beginnt sie, monoton immer wieder denselben Satz zu wiederholen:
„Jah, iez komme. Iez komme.“
Ich versuche es ja, Himmel, ich konzentriere mich und lasse sie arbeiten. Aber es zieht sich länger und länger, und es ist so wild, sexy und verboten wie ein Teesieb im Spülstein. Und auch ihr monoton gemurmeltes Mantra wird zusehends ungeduldiger:
„Komme! Iez!“
Irgendwann sieht sie mich an. Traurig. Müde. Ich schaue zurück, wahrscheinlich genauso.
„Nehme Mund?“, sagt sie. Ich spüre, es ist ihre letzte Verzweiflungstat, um unserer unseligen geschäftlichen Beziehung endlich ein Ende zu setzen. Ich nicke. Da müssen aber zuerst 50 Eier mehr auf’s Nachttischchen. Ok, kein Problem. Sie reisst ein Kondom auf und stülpt es mir über. Das Taschentuch behält sie in der Hand. Wer weiss, wozu man das später noch brauchen kann.
Das ist also mein erster Blowjob. Die erste Frau, die ihn in den Mund nimmt, ist eine Asiatin mit einem sprechenden Gesicht und einer Horde vom Hunger gezeichneter Kinder in Bangkok. Mit dem Gummi auf meiner Eichel spüre ich nichts; das mechanische auf und ab ihres Schädels kommt mir vor wie ein irrer, unsinniger Tick; und was auch immer sie mit der Zunge macht: Es dringt nicht zu mir durch.
Aber das Schlimmste ist: Sie hört nicht auf zu sprechen. Mein Ding tief in ihrem Mund versenkt, die Lippen um den feuchten Kautschuk gepresst, höre ich sie immer und immer wieder sagen:
„Mhaph. Iepf kummeh.“ - Es ist, als stiege meine Seele hoch über das Bett; unfähig, die ihr zugefügten Qualen weiter zu ertragen. Tief unter mir sehe ich mich selbst mit dieser Frau und ich denke an Dante; und wie recht er hatte. Ich muss der Sache ein Ende setzen.
Ich bitte sie, aufzuhören. Ihre toten Augen verstehen mich nicht; „Was will er denn noch?“; scheinen sie zu fragen. Ich entziehe mich ihr, springe vom Bett, stottere Entschuldigungen, hüpfe in meine Hose, das Kondom nehme ich gar nicht erst ab – wo verflucht sind meine Socken? – beteuere, es sei nicht ihre Schuld, nein, im Gegenteil, es wäre ganz… – Hemd an. Jacke! - ach was, zum Teufel, wo ist die Tür? Da! Und so lasse ich sie zurück, den Mund voll Gleitmittel, in der Hand das unbenutze Taschentuch. Und irgendwie, es würde mich nicht erstaunen, wenn sie mir damit zum Abschied noch zuwinken würde.
Worst Blow Job ever, keine Frage. Der wilde Sex mit Fremden hat seine Hüllen fallen lassen und sich als bizzarrer Zahnarztbesuch entpuppt: Genauso teuer, und genauso unangenehm.
Nur der Geschmack im Mund ist ein anderer.
PS: Ergänzend zum Thema, meine Empfehlung der Woche: Das Hörbuch Memoiren aus dem Bordell
von Kollegin Nell Kimball, gesprochen von Marlen Diekhoff. Ziemlich sexy.